Nutztier vs. Haustier: Warum machen wir da einen Unterschied?
Der Corona-Ausbruch im Tönnies-Schlachthof in Nordrhein-Westfalen hat die schon lange bekannten Missstände aus der industriellen Tierhaltung wieder zum Teil der öffentlichen Diskussion gemacht. Und fast parallel empörten sich Tausende Tierfreunde über das Hundefleisch-Festival im chinesischen Yulin. Trotzdem konsumiert im Schnitt jeder Deutsche fast 60 Kilo Fleisch im Jahr.
Wie passt das zusammen? Warum fällt es uns so viel leichter, grausame Haltung von sogenannten Nutztieren zu akzeptieren? Warum sind uns Hunde und Katzen näher als Schweine oder Rinder?
Tierethikerin: Es gibt keinen Grund für Unterscheidung
Aus moralischer Sicht ist es „nicht begründbar“, weshalb wir zwischen Haustieren und Nutztieren überhaupt einen Unterschied machen, sagt Tierethikerin Angela Martin. „Sie gehen davon aus, dass Ihre Katze Interessen hat, dass sie Leid und Freude empfinden kann. Sie wollen nicht, dass ihr etwas Schlechtes passiert. Es ist unklar, warum Sie sich gegenüber anderen Tieren, die ebenfalls empfindungsfähig sind, anders verhalten und sie ausbeuten.“
Unter empfindungsfähig verstehen Experten alle Lebewesen, die ein zentrales Nervensystem haben. Mäuse, Vögel, Hühner, Schweine, Kühe, Hunde, Katzen und viele andere Tiere sind empfindungsfähig, sie sind in der Lage Angst oder Schmerzen zu spüren. Eine Studie belegte im vergangenen Jahr beispielsweise, dass Hunde nicht schlauer als Schweine sind.
Das Problem: Wir sortieren Tiere nach unserem Nutzen
Und während wir bei den grausamen Aufnahmen aus Yulin wütend und fassungslos werden, kaufen wir Milch von Kühen, deren Kälber dafür sterben müssen, und Nackensteak im Supermarkt für 2,99 Euro das Kilo. „Dass wir traditionell Tiere nach unseren Interessen sortieren, also danach sortieren, was sie für uns bedeuten, ist eigentlich normal“, erklärt Prof. Dr. Peter Kunzmann in dieser Podcast-Folge.
Wir sind fast alle mit Fleisch- und Milchprodukten aufgewachsen. Fleischessen und Milch trinken gilt im Allgemeinen als normal. Und deshalb unterscheiden wir die Tiere nach ihrem Nutzen, das wir von Kindesbeinen an erlernt haben. „So ist es in jeder Kultur unterschiedlich erlernt“, so Kunzmann. „In unserer Kultur sind Hunde der beste Freund des Menschen. In vielen anderen Kulturen ist aber genau das, was wir an ihnen schätzen, ein Zeichen, dass er nicht brauchbar ist.“
Und das, so der Experte, habe sich über Jahrzehnte verändert: „Die Tiere, die in Nähe vom Menschen gelebt haben, hatten damals eine Funktion erfüllt. Die Katze, die nicht mehr zum Mäusefangen taugt, wurde ertränkt. Der Hund, der nicht mehr zum Jagen taugt, wurde erschlagen… Das, was wir jetzt erleben, ist, dass wir mit einem gewandelten Bewusstsein auf die industrielle Nutztierhaltung schauen.“
Kann ein Tierfreund wirklich Fleisch essen?
„Wir haben eine über Jahrhunderte alte Tradition. Wenn wir über Tiere geradeaus denken, dann müssen wir uns die Frage stellen, warum wir die einen so und die anderen so behandeln“, sagt Kunzmann.
Sebastian Margenfeld, der sich mit seinem Förderverein „Animal Hope and Wellness e.V.“ seit 2016 gegen den Hundefleisch-Handel in China und die grausame Behandlung der Tiere einsetzt, lebt seit seinem ersten Schlachthaus-Besuch vor vier Jahren vegan. „Wer Tiere liegt und Tierschutz betreibt, kann eigentlich nichts anderes machen, als Veganer zu sein“, sagt der Mann, der Hunde vor dem Kochtopf rettet.
Das sehen allerdings nicht alle so: Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, wurden im vergangenen Jahr in den gewerblichen Schlachtbetrieben in Deutschland 59,7 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde geschlachtet – zusammen mit geschlachtetem Geflügel wurden insgesamt knapp acht Millionen Tonnen Fleisch produziert. Das entspricht dem Gewicht von etwa 625.000 Elefanten oder fast 12.000 Exemplaren des Airbus A380.
Dieses Fleisch landet auf den Tellern der Deutschen – und in den Näpfen ihrer Haustiere. Moralisch ist auch das ein Problem, findet Prof. Dr. Peter Kunzmann: „Wir haben 15 Millionen Katzen und zwölf Millionen Hunde in Deutschland – und die fressen alle keinen Salat…“
Kunzmann: „Warum sollte es für ein Schwein oder Rind moralischer sein, es nicht zu schlachten, damit wir es essen – aber dafür zu schlachten, damit es der Hund oder die Katze bekommt?“ Wenn man konsequent sein will, so der Experte, „dann muss ich halt auch gucken, wie ich mein Tier vegetarisch oder vegan ernähre.“
Wie denkst Du über das Thema? Kann jemand, der Tiere liebt gleichzeitig Fleisch essen? Und was ist dann mit Hundefutter?
Wir freuen uns über Dein Feedback zur Folge per Mail an podcast@deine-tierwelt.de, bei Facebook, Instagram oder in der „DeineTierwelt Community“. Folge unserem Podcast gerne auf Spotify und bewerte uns auch bei Apple Podcasts.** ❤
Kommentare
Neuer Kommentar