Nach Mega-Skandal: Brauchen wir noch Tierversuche?
Tierversuche in Deutschland
Die Aufnahmen aus dem LPT-Labor haben gezeigt, was hinter verschlossenen Türen in Deutschland passiert: Tiere in Todesangst werden gequält und getötet. Für die Wissenschaft.
Ein Blick auf die aktuellsten Zahlen des zuständigen Ministeriums aus dem Jahr 2017 zeigen: Alle elf Sekunden stirbt durchschnittlich ein Tier in einem deutschen Versuchslabor – insgesamt litten 2017 offiziell 2.807.292 Tiere. Die meisten starben während der Versuche oder an den Folgen.
Welche Tiere werden für die Versuche eingesetzt?
In Deutschland wurden im Jahr 2017 vor allem Mäuse (1.963.337 = 70 Prozent), Ratten (316.397 = elf Prozent) und Fische (300.033 = zehn Prozent) für die Wissenschaft gequält. Es kamen und kommen aber auch Kaninchen Katzen, Hunde, Meerschweinchen, Schweine und Affen zum Einsatz.
Warum sind Tierversuche erlaubt?
Tierversuche im Namen der Wissenschaft regelt in Deutschland das Tierschutzgesetz. Laut §7 sind Tierversuche, wenn sie „unerlässlich sind“, für folgende Zwecke erlaubt:
- Grundlagenforschung
- sonstige Forschung mit einem der folgenden Ziele:
- Vorbeugung, Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden bei Menschen oder Tieren,
- Erkennung oder Beeinflussung physiologischer Zustände oder Funktionen bei Menschen oder Tieren,
- Förderung des Wohlergehens von Tieren oder Verbesserung - der Haltungsbedingungen von landwirtschaftlichen Nutztieren,
- Schutz der Umwelt im Interesse der Gesundheit oder des Wohlbefindens von Menschen oder Tieren,
- Entwicklung und Herstellung sowie Prüfung der Qualität, Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit von Arzneimitteln, Lebensmitteln, Futtermitteln oder anderen Stoffen oder Produkten mit einem der in Nummer 2 Buchstabe a bis c oder Nummer 3 genannten Ziele,
- Prüfung von Stoffen oder Produkten auf ihre Wirksamkeit gegen tierische Schädlinge,
- Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der Arten,
- Aus-, Fort- oder Weiterbildung,
- gerichtsmedizinische Untersuchungen.
Dem gegenüber stehen lediglich Verbote für Tierversuche zur
- Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät
- Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und Kosmetika.
Was wird in den Laboren mit den Tieren gemacht?
Jahr für Jahr werden Millionen Hunde, Katzen, Affen und Nager in Tierversuch-Laboren vergiftet, um die Toxität neuer Produkte und Medikamente zu bestimmen. Den Tieren werden dafür große Mengen eines Medikaments oder einer zu testenden Substanz eingeflößt, manchmal Chemikalien auch in die Augen oder auf die Haut gerieben. Diese Tests sind gesetzlich vorgeschrieben – für alle Medikamente und für zahlreiche Produkte des täglich Bedarfs.
In der Grundlagenforschung hingegen muss jeder einzelne Tierversuch genehmigt werden. Sie sind nicht per Gesetz vorgeschrieben, sondern finden aus wissenschaftlicher Neugier heraus statt. „Wenn ich als Wissenschaftler gucken möchte, was passiert, wenn ein Beagle vom Hochhaus findet, dann muss ich das nur begründen – und dann muss mir die Behörde den Tierversuch genehmigen“, sagt Gaby Neumann vom Verein „Ärzte gegen Tierversuche“.
Der Verein, der Deutsche Tierschutzbund, „Peta“ und viele Experten halten diese Tests deshalb für irrelevant – und vor allem ethisch nicht zu rechtfertigen.
Überleben Versuchstiere diese Versuche?
Leider nur wenige – viele Sterben während der Versuche, die allermeisten Tiere werden allerdings nach dem Experiment getötet. Oft passiert das, weil anschließend Organe beziehungsweise Gewebeproben für die Ergebnisse des Tierversuchs untersucht werden müssen. Laut „Tasso“ werden die Tiere dann meist durch einen Genickbruch, eine Betäubungsmittel-Überdosis oder Ersticken getötet.
Helfen die Ergebnisse von Tierversuchen?
„Ergebnisse aus Tierversuchen sind katastrophal auf den Menschen zu übertragen“, erklärt Gaby Neumann.
Sie sagt: „Alleine 95 Prozent der Medikamente, die sich im Tierversuch als sicher und wirksam gezeigt haben, fallen beim Test am Menschen durch – weil sie nicht wirken oder hochgradige Nebenwirkungen verursachen. Von den fünf Prozent, die auf den Markt kommen, fallen dann nochmal ein Drittel durch.“
Zahlreiche Studien belegen die Aussage der Tierärztin. Der Grund: Alleine von Tier zu Tier wirkt ein Medikament unterschiedlich, Zeckenschutzmittel für Hunde können für Katzen tödlich sein. Also ist es quasi logisch, dass die Wirkungen von Medikamenten und Mitteln, die bei Tieren positiv getestet werden, nicht zwingend auch beim Menschen verträglich sind.
Brauchen wir denn dann überhaupt Tierversuche?
„Tierversuche sind eine Gefahr. Sie werden dazwischengeschaltet, um den Menschen zu schützen. Dadurch verspricht der Tierversuch eine Sicherheit, die gar nicht gegeben ist. Er verspricht eine Sicherheit, die nicht gegeben ist“, urteilt Gaby Neumann.
Dennoch werden Tausende Tierversuche heute noch durchgeführt, weil sie gesetzlich vorgeschrieben sind. Rund 20 deutsche und EU-Gesetze, Richtlinien und Verordnungen schreiben Tierversuche direkt oder indirekt vor – dazu gehören unter anderem das EU-Chemikaliengesetz, das Arbeitmittelgesetz und das Futtermittelgesetz. Unzählige Stoffe, Produkte und Medikamente müssen demnach auf ihre Unbedenklichkeit, Giftigkeit und Wirksamkeit am Tier überprüft werden.
„Das Gesetz muss einfach geändert werden. Nur weil es ein Gesetz gibt, ist das nicht immer richtig. In diesem Fall ist es sogar Schwachsinn“, sagt Gaby Neumann. Die Fachfrau spricht von Lobbyismus, vergleicht den Kampf gegen die Tierversuch-Industrie mit dem Kampf David gegen Goliath.
Denn: Von den Baufirmen und Architekten, die Labore bauen, zu den Herstellern von Labor-Inventar bis hin zu den Forschern oder Pharmafirmen profitieren viele vom System Tierversuch, sagt die Fachfrau.
Gibt es Alternativen zu Tierversuchen?
Ja, die gibt es: Einzelne tierfreie Test-Methoden sind bereits erfolgreich im Einsatz, viele bereits weit entwickelt und diverse vierversprechende Alternativmethoden warten auf Fördergelder. Das Problem: Während Tierversuche mit mehreren Milliarden Euro – und einem Großteil an Steuergeldern – gefördert werden, erhalten die Alternativen nur wenige Millionen Euro.
„Das muss sich ändern“, sagt Neumann.
-- Link-Tipps zum Thema --
» Alle Fragen und Antworten zum Thema
» Deutschlands Tierversuche in Zahlen
» Alle Infos zum aufgedeckten Skandal
-- Mehr vom Gesprächspartner --
» Website „Ärzte gegen Tierversuche“
» Infos zur tierversuchsfreien Forschung
-----------
Wir freuen uns über Dein Feedback zur Folge per Mail an podcast@deine-tierwelt.de, bei Facebook, Instagram oder in der „DeineTierwelt Community“. Folge unserem Podcast gerne auf Spotify und bewerte uns auch bei Apple Podcasts. ❤
Kommentare
Neuer Kommentar